
Rezension "Ein Held dunkler Zeit" von Christian Hardinghaus
Erscheinungsdatum: 02.03.2018 gelesen dank netgalley als ebook (Kindle)
Genre: Historischer Roman - 3. Reich
Ein Augenarzt verliert durch die Treue zu seiner halbjüdischen Frau die Möglichkeit als Arzt tätig zu sein. Um seine Frau und die Kinder vor den Folgen der Rassengesetze zu retten, meldet er sich freiwillig als Soldat und versucht durch heldenhaften Einsatz die Arisierung seiner Familie zu erlangen.
Obwohl ich schon einiges über das 3. Reich gelesen habe, ist mir die Möglichkeit der Arisierung von halbjüdischen Angehörigen aufgrund eigener Heldentaten bisher nicht bekannt gewesen. Bei einzelnen herausragenden Wissenschaftlern u.ä. ist mir diese Möglichkeit bekannt, aber ich hatte bisher angenommen, dass es keinen Weg gab dies aus persönlicher Leistung selbst zu unterstützen.
Wie ich aus dem Nachwort und einer kleinen Onlinesuche festgestellt habe, ist dieses Buch quasi die belletristische Version eines historischen Buches über diesen Arzt, wozu der Autor Originalbriefe und Tagebucheinträge verwenden konnte.
Hier im Roman sind die Namen verändert und die Geschichte ist "lesertauglich aufgearbeitet".
Insgesamt ist die Geschichte in drei Teile aufgeteilt, eine Rahmenhandlung aus der das Schreiben des Romans sich entwickelt, die Zeit vor dem Krieg bzw. das Erleben in der Heimat, das sowohl aus der Sicht des Arztes als auch seiner Frau miterlebt wird. Als Hauptteil lesen wir die Kriegserlebnisse aus der Sicht des "Burschen" bzw. Sanitätshelfers des Arztes.
Der Aufhänger des Buches ist eine Situation im Altersheim, in dem der ehemalige Sanitätshelfer beschließt die Geschichte des heldenhaften Arztes zu erzählen. Als Autor tritt er überzeugend in der Rahmenhandlung und im Kriegsgeschehen auf. Die Handlung in der Heimat, sowohl vorm Krieg als auch einzelne Episoden während des Kriegseinsatzes werden mit einer literarischen "Krücke" in das Buch des Sanitätshelfers aufgenommen. Sein Arzt erzählt ihm davon bzw. lässt ihn Briefe an die Heimat lesen.
Im Prinzip wäre das eine ansprechende Idee, doch leider wird sie nicht konsequent durchgeführt. So werden in der Heimat Details wie die erste Liebesnacht mit der zukünftigen Ehefrau oder auch Erlebnisse aus ihrer Sicht so erzählt, dass es kaum vorstellbar ist, dass der Arzt an der Front sie weitererzählt haben könnte.
Mir persönlich hätte das Buch ohne die "Krücke" besser gefallen und nichts verloren, wenn die Rahmenerzählung einfach gefehlt hatte.
Die Geschehnisse bis zu dem Moment, wo der Arzt sich freiwillig meldet, sind der Teil des Buches, der mich am Meisten angesprochen hat. Die Personen sind sehr dicht geschildert und auf eine realistische Art nicht perfekt und damit liebenswert. Die schrittweise Verschärfung des Alltags durch die Rassengesetze wird gut dargestellt und die langsame Erkenntnis der Folgen erschließt sich schrittweise. Der Alltag im Feld spiegelt für ein unterhaltsames Leseerlebnisse zu viel Realität wieder. Sowohl die Brutalität der Einsätze als auch die Langeweile dazwischen liest sich gut mit.
Insgesamt hat mir das Buch ziemlich gut gefallen, mit den genannten Abstrichen zur Perspektive der Erzähler.
Das Cover finde ich besonders gelungen, ein eindeutig durch die Zeit ausgeblichenes und abgegriffenes Foto eines Soldatenabschieds ist sehr stimmig zum Inhalt des Buchs.