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Rezension "Alligatoren"

Alligatoren von Deb Spera

Erscheinungsdatum: 3.09.2018

gelesen als ebook (kindle) dank Netgalley im August 2018

Genre: Historischer Roman, Frauenroman

Der Roman spielt in den amerikanischen Südstaaten vor ca. 100 Jahren. Schwarze sind keine Sklaven mehr, müssen aber sehr genau darauf achten, was ihre Rolle und wo ihr Platz ist. Arme Weiße stehen nur minimal höher in der Achtung und Frauen sind von ihren Männern nicht nur wirtschaftlich, sondern viel mehr noch in der sozialen Achtung abhängig.

Gertrude lebt im Sumpf, zwei ihrer vier Töchter sind bei ihr und ihrem Mann, zwei leben beim Bruder in einer Kleinstadt. Gertrude ist so arm, dass ihre Kinder seit Tagen nichts gegessen haben und sie Jagd auf einen Alligator macht. Doch der namensgebende Alligator spielt in diesem Buch längst keine so große Schlüsselrolle, wie der Klappentext vermuten ließ. Dies hat mich ein wenig gestört, denn gerade das erste Kapitel war für mich eher anstrengend zu lesen. Die Autorin springt hier nicht nur zwischen den Personen, sondern zusätzlich in der Chronologie der Ereignisse hin und her und macht dieses Kapitel eher ermüdend. Im Laufe des Buches aber, je mehr ich mich in die drei Protagonisten eingelesen habe, gewinnt das Buch an Lesefluss und Lesefreude.

Annie, die Frau des reichsten und einflußreichsten Farmers der Gegend, betreibt mit ihrem Sohn Lonnie eine Näherei, die einzige Arbeitsstelle, die zahlreiche Frauen beschäftigt. Sie vermißt den jüngsten Sohn, der Selbstmord beging und die beiden erwachsenen Töchter, die jeden Kontakt abgebrochen haben. Gertrude bewirbt sich um eine Stelle in der Näherei um dem Elend und dem Hunger zu entkommen.

Retta/Oretta ist die schwarze Hausangestellte, die den Haushalt von Annie führt und sich nicht so ganz an die Regeln hält, wo ihre Position in der Gesellschaft ist. Alle drei Frauen rollen im Laufe der Geschichte ihre eigene Ehe, die Beziehungen zu Ehemännern und Umfeld und ihre Ängste und Wünsche für die nahe Zukunft auf.

Über lange Strecken war dieses Buch für mich nicht mehr und nicht weniger als ein Psychogramm der Südstaaten vor 100 Jahren. Die Bedeutung von völliger Armut, Frauen, die ein einziges Kleid besitzen, das aus Zuckersäcken genäht ist, Arbeit selbst der jüngsten Kinder nur um Brot auf den Tisch zu bekommen und Angst durch reale oder vermeintliche Verfehlungen noch mehr zu verlieren (Was kann man da noch verlieren?).

Über lange Strecken geschieht in dem Buch wenig, aber dennoch in den Personen viel. Beziehungen entstehen, Seilschaften finden sich zusammen und am Ende teilen sich Frauen, die wenig miteinander gemeinsam haben, mitten in ihrem Alltag die Aufgabe, die nötig ist um die Welt wieder gerade zu rücken.

Enttäuschend fand ich den Aufhänger der Alligatorenjagd im Klappentext und als Titel, denn diese Jagd wird für mich eher künstlich zum zentralen Geschehen aufgebaut und die Rolle des Alligators ist eher marginal. Für mich ist dieser Aspekt ein wenig Vortäuschung falscher Tatsachen. Dies scheint aber zum Teil eine Entscheidung des deutschen Verlags zu sein, da das englische Original zwar den Titel genauso führt, die Alligatoren im Klappentext aber nicht erwähnt.

Interessant an diesem Buch und seinen Perspektiven ist, dass Männer hier tatsächlich nur im Hintergrund agieren. Als geliebter Partner und Ergänzung des eigenen Selbst, als Gefahr für Leib und Leben oder als Familienpatriarch, der die Selbständigkeit der eigenen Frau nur bis zu dem Punkt duldet, wo sie ihm hilft und seine Ziele fördert. Männer sind, wie hier in der Aufzählung zu sehen, nicht zwingend schlecht oder schlechter als Frauen, aber, wenn sie es sind, gibt die Gesellschaft ihnen Macht über ein vertretbares Maß hinaus.

Alligatoren ist ein Buch, das Freiheit der Frauen propagiert, gewonnen durch Intrigen, Gewalt, aber dies nur um gegen die Gewalt der Männer standzuhalten.

Mich würde interessieren, ob der Name der Autorin ein Pseudonym ist, denn für mich klingt er wie ein gelungener Name einer Freiheitskämpferin Deborah aus der Bibel plus Spera von Espera = hoffen. Falls nicht, dann hat sie einen gelungenen Namen für ihr Romanthema.

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