
Die Stimmlosen von Melanie Metzenthin
Erscheinungsdatum: 17.07.2018, gelesen als ebbok (kindle) im August 2018 dank Netgalley
Genre: Historischer Roman, Zeitgeschichte Nachkriegszeit
Für mich sind die in diesem Buch besprochenen Jahre 1945 bis Anfang der 50er-Jahre in Deutschland der unbekannteste Teil der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts. Zu nah dran um in der Schule besprochen zu werden und für meine Eltern und Großeltern auf andere Art zu nah dran um viele Details zu erzählen.
Dieses Buch erzählt die Geschichte einer Haus- und Praxisgemeinschaft befreundeter Ärzte und Psychiater, die sich in den Nachkriegsjahren in Hamburg Wohnung, Praxis und das Lebensnotwendige teilen, unterstützt von guten Freunden und näheren und ferneren Vewandten. Fritz verlor seine Ehefrau und Tochter im Feuersturm und konnte den kleinen Sohn erst nach zwei Jahren lebend im Waisenhaus wiederfinden. Paula und Richard sind glücklich, dass ihr gehörloser Sohn und seine Zwillingsschwester nicht mehr Gefahr laufen zwangssterilisiert zu werden, aber die unmittelbare Not ausreichend Lebensmittel und Heizmaterial zu bekommen, zwingt immer wieder zu illegalen Aktionen.
Das Buch erzählt sehr hautnah und lebensecht vom Leben im Nachkriegs-Hamburg. An allen Ecken und Enden des Buches hat der Leser die Möglichkeit den Stand der Medizin und die Probleme mit den Versorgungsengpässen in diesem Feld ebenso kennenzulernen wie die Probleme zwischen Briten und Deutschen.
Der im Klappentext angesprochene Euthanasiefall, der gerichtlich behandelt wird, zieht sich in der Person Dr. Krügers quer durch das Buch. An einigen Stellen des Buches war ich der Meinung, dass dieses Thema weniger dominant behandelt würde, als der Klappentext vorgibt, aber Dr. Krüger taucht dann doch immer mal wieder auf und bewegt Richard und Paula.
Das Buch spricht ein wenig viele weitere Themen an, so wirkt der Erzählstrang England und die verwandtschaftlichen Beziehungen von Fritz zunächst ein wenig dick aufgetragen, bauen sich aber insgesamt gut in die Gesamtgeschichte ein.
Auch wenn man bei den Personen gut zwischen "guten" und problematischen Menschen unterscheiden kann, bleibt niemand durchgehend rechtstreu, müssen auch die Guten ihre eigenen Maßstäbe immer wieder hinterfragen und neu ausrichten.
In diesem Buch habe ich mir zwei Zitate markiert. Das erste ist für mich ein Beispiel für den besonderen Humor: "Ich werde nie wieder einen Kaffee trinken können, ohne an die dreiundzwanzigjährige Indiofrau mit Liebeskummer denken zu müssen, deren Tränen den Boden gedüngt haben."
Das zweite Zitat stellt den Hass auf die Feinde des Krieges in den für mich richtigen Bezugsrahmen: "Und da war mir klar, das ist wie eine Naturkatastrophe. Genauso wenig wie es etwas bringt, die Flutwelle zu hassen, die deine Familie ertränkt oder den Vulkan, dessen Lava sie unter sich begräbt, genauso wenig nützt es etwas, den einzelnen Piloten zu hassen, der die Bomben geworfen hat."
Das Vorgängerbuch habe ich noch nicht gelesen, dieses Buch hier kann aber auch alleine stehen.
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